Mountainbike-Fieber vs. Wanderlust: Lassen sich Konflikte im Wald mit Rücksichtnahme lösen?

2-Meter-Regel. Schon mal gehört? Wir reden über die Gründe, die Kritik und warum MountainbikerInnen in Baden-Württemberg vielleicht das nächste Mal ein Maßband einpacken sollten, um die Wege zu vermessen.

„Mountainbiking ist für mich technisch anspruchsvoll“, erklärt uns die leidenschaftliche Mountainbikerin Tina (25). Sie sitzt in ihrer vollen Sportmontur vor uns, mit Cap und Mountainbikeshirt. Denn nach unserem Interview möchte sie sich noch aufs Bike schwingen, erklärt sie uns lächelnd. In ihrem Sportstudium ist Mountainbiking für sie die perfekte Sportart. Eine Sportart, bei der sie geblieben ist, nachdem sie schon als Kind vieles ausprobiert hat und sportlich unterwegs war. Auf die Frage, was für sie gute Wege sind, erwidert sie, ohne zu zögern: „Trails.“

Für sie sollten die Wege mehr als normale Spaziergang-Wege bieten: „Steil hoch und steil runter“ – so mag sie die Wege am liebsten – „und dann kommt man leider nicht um Trails herum.“ In Baden-Württemberg dürfen FahrradfahrerInnen in Wäldern aber meistens nur auf Wegen fahren, die mindestens zwei Meter breit sind. Das seien meistens Schotterwege, sagt Tina. „Da kann ich auch mein Trekking-Rad aus der Stadt nehmen und dann komm ich auch weiter.“ Ihre geliebten Trails sind viel schmaler.

Tina kommt aus der Umgebung von Kirchheim. Sie erzählt uns, dass es in ihrer Gegend nicht viele legal befahrbare Wege gibt. 

 

Die 2-Meter-Regel verbietet das Fahren auf Waldwegen, die keine zwei Meter breit sind. Ausnahmen dazu sind aber Wege, die zur Benutzung von FahrrdadfahrerInnen erlaubt sind . Diese Wege müssen durch die jeweils zuständige Forstbehörde genehmigt und dementsprechend gekennzeichnet sein.

Achtung – Abstand wahren!

Sportlich fahren MountainbikerInnen über Stock und Stein in Wäldern. Die 2-Meter-Regel stört sie dabei.

Wieso also diese Regel? Wenn MountainbikerInnen und WanderInnen aufeinanderprallen, kann schneller geklärt werden, wer zur Verantwortung gezogen werden soll. Zudem fühlen sich manche Fußgänger deswegen sicherer. Gerade alte Menschen und Eltern mit ihren Kindern, aber auch HundebesitzerInnen können so ohne Sorge ihren Tag im Wald genießen. Außerdem soll die Regel dem Wild helfen, weil sie gewisse “Ruhezonen” für die Tiere schafft, die nicht durch schnelle Fahrräder gestört werden. Die Landesregierung will trotzdem für die WaldnutzerInnen – und auch für die FahrradfahrerInnen –  ein verständnisvolles Miteinander und gutes Erleben des Waldes ermöglichen. Laut Angaben des Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg aus dem Jahr 2014, sollen mehr Wege für MountainbikerInnen geschaffen und zugänglich gemacht werden. Die Verantwortlichkeit für diese Dinge liegt beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR). Sie wollen nach eigenen Angaben für die Konzipierung und Ausweisung neuer Singletrails auf kommunaler Ebene werben. Da die Unteren Forstbehörden für die Ausweisung zuständig sind, will das MLR sie dazu auffordern und dabei unterstützen, die Konzeption für zugängliche Wege für FahrradfahrerInnen zu begleiten. Mehr dazu hier.

Übersicht über das Wichtigste zur 2-Meter-Regel. / Quelle: Jenny Le; Piktochart

Doch seit die Regel vom baden-württembergischen Landtag 1995 eingeführt wurde, steht sie in der Kritik.

Hier ist Augenmaß gefragt!

Mountainbikevereine wie die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) und der Württembergischer Radsportverband e.V. diskutieren die Sinnhaftigkeit der 2-Meter-Regel schon lange. Ende 2013 starteten die DIMB mit anderen MTB-Verbänden sogar eine Petition, die 2014 vor dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg vorgestellt wurde. Rund 58.000 Menschen unterschrieben die Petition. Der Petitionsausschuss war gegen eine Änderung der Waldregel der Landtag ist dem Rat des Ausschuss gefolgt.

Eine ernüchternde Entscheidung für viele MountainbikerInnen. Der Entschluss trifft auf mangelndes Verständnis. Der DIMB sagt dazu auf der Website:  „Aus unserer Sicht der wichtigste Grund für eine Aufhebung der 2-Meter-Regel ist der Verstoß gegen das Grundgesetz: die Diskriminierung von Radfahrern widerspricht dem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit.“ Wie Tina außerdem in unserem Interview kritisiert, gibt es deshalb weniger legal befahrbare Wege. Auf die Petition folgt eine Pressemitteilung des Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg. Dort wird ausdrücklich betont, dass die Landesregierung das Rad- und Mountainbike-Fahren im Wald begrüßt. Während die 2-Meter-Regel oft im Fokus des Frusts der MountainbikerInnen steht, ist es aber wichtig zu erwähnen, dass es auch in anderen Gegenden beschränkte Wege gibt. Im Siebengebirge dürfen Radfahrer beispielsweise nur auf wenigen ausgewählten Wegen fahren, die für Radfahrer freigegeben sind. Grund dafür ist, dass das Siebengebirge ein Naturschutzgebiet ist. 

Die DIMB zweifelt auch an den Gründen, die für die 2-Meter-Regel vorgebracht werden. Es gebe keine Studien, die zeigen würden, dass es zu mehr Unfällen kommt, wenn die 2-Meter-Regel abgeschafft wird. Oft wird auch kritisiert, dass Verstöße gegen die Regel mit einem Bußgeld geahndet werden können. Viele sind der Meinung, dass diese Strafen auf wackeligen Füßen stehen. Denn oft muss nach Augenmaß abgeschätzt werden, wie breit ein Weg ist, weil es keine Geländemarken für 2 Meter breite Wege gibt.

Nur in Baden-Württemberg herrscht die 2-Meter-Regel.

Breite Waldwege, wie diese, sind fürs Radfahren erlaubt. / Quelle: Tina Marie Frech

Gemeinschaft statt Distanz

Die Regel soll also Konflikte zwischen WaldbesucherInnen vermeiden. Tina kritisiert jedoch, dass es trotzdem Probleme mit WanderInnen und SpaziergängerInnen gibt. Sie ist der Meinung, dass der Wald für alle Interessensgruppen da sein sollte. Ihr zufolge gewinnt aber meistens die Interessengruppe der SpaziergängerInnen, während MountainbikerInnen alle in denselben Topf geworfen werden. 

Die meisten in ihrem Umfeld achten auf die FußgängerInnen, wenn sie auf dem Bike unterwegs sind, sagt sie. „Dann steigt man kurz ab oder wird langsamer.“ Ihrer Meinung nach geht es um Rücksichtnahme und das gegenseitige Verständnis aller Waldnutzenden.

So sieht es auch der Vorsitzende des Schwarzwaldvereins in Freiburg, Mirko Bastian. Er ist in seiner Freizeit sowohl Wanderer als auch Mountainbiker. „Man ist ja nicht nur das eine“, sagt er. Deshalb geht es beim Schwarzwaldverein unter anderem darum, die Waldnutzenden wieder zusammenzubringen – unabhängig von ihren Hobbies. So steht auf der Hauptseite von dem Schwarzwaldverein folgendes Zitat von den MTB-Guides Eva und Björn Fünfgeld:

Wandern und Radfahren: Wir denken in die Zukunft, denn hier werden wir gemeinsam und respektvoll unterwegs sein.

In Zusammenarbeit mit anderen Waldverbänden wird darauf hingearbeitet, dass Verständnis für andere Positionen geschaffen wird. Denn am Ende ist „man nur einer unter vielen“, meint Bastian.

Die 2-Meter-Regel sieht aber auch er eher als überflüssig an. In anderen Ländern wie Österreich oder der Schweiz gebe es gekennzeichnete Wanderwege, die ohne eine ähnliche Regelung wie der 2-Meter-Regel gut funktionieren.

Denn im Kern geht es ihm nicht um die Durchsetzung einer Regel, sondern darum, aufeinander zuzugehen. „Oftmals sind es ältere Menschen, die sich an Klischees bedienen, dabei saßen sie selbst nie auf einem Bike“, sagt Bastian. Auch auf der Bikerseite käme es oft zu Unverständnis. Er führt an, dass es zu einem „bewussten“ Missverstehen kommen kann und man der anderen Seite den Naturgenuss im Wald abspricht. „Immer dann, wenn Kommunikation abbricht, dann habe ich gar kein Bock mehr weiter zu machen. Dann bestätigen sich nur Vorurteile, was uns nicht hilft“.

Für ein friedliches Miteinander im Wald bringt laut Bastian die 2-Meter-Regel kaum etwas, denn die Probleme zwischen MountainbikerInnen und WanderInnen blieben dieselben – mit oder ohne Regel. Es sei schwer, mit Fakten an Emotionen ranzukommen. Wenn jemand beim Wandern auf eine Person trifft, die mit dem Mountainbike viel zu schnell neben einem runterrast, dann bleibt diese Erfahrung meist am stärksten hängen. „Ich kann dem Waldnutzer noch so viele Studien um die Ohren hauen, da ist die Schublade zu“.

Verschiedene Arten der Sensibilisierung wie beispielsweise Respektkampagnen sollen die verschiedenen Perspektiven aufzeigen. So könne man Empathie füreinander schaffen und ein gegenseitiges Verständnis aufbauen. Deshalb plant der Schwarzwaldverein mit lokalen MTB-Vereinen regelmäßig gemeinsame Aktionen – um laut Mirko Bastian Erfolgserlebnisse zusammen zu feiern und Eskalationen vorzubeugen.

Da hat man zusammengearbeitet, hat ein Erfolgserlebnis, hat was geschafft. Dann hockt man abends mit einem Bierchen oder einer Grillwurst zusammen und dann wird das Ganze auch cooler und entspannter, weil man sich einfach kennt.“

So kanns gemacht werden

Doch nicht überall sehen die Angebote gleich aus. Im Vergleich zu anderen Regionen in Baden-Württemberg bietet Freiburg eine vielfältige Auswahl an Radwegen. Nicht ohne Grund liegt hier ein Hotspot von Mountainbikevereinen und dazugehörigen Festivals. Unter anderem sorgt der Mountainbike Freiburg e.V. in Zusammenarbeit mit dem städtischen Forstamt für den Freiburger Ruf als Paradies für MountainbikerInnen. Von legalen Downhill-Strecken bis hin zu engen Singletrails, ist für alle etwas dabei.
 Der Verein weist dennoch darauf hin, nur auf ausgewiesenen Trails zu fahren und Rücksicht auf andere zu nehmen. FahrradfahrerInnen, wie Tina, die aus anderen Gegenden kommen, erfreuen sich an der Vielfalt der Wege von Freiburg und erhoffen sich mehr Fahrmöglichkeiten in ihren eigenen Regionen.

Der Bikepark Todtnau, ein legales Angebot in BaWü mit anspruchsvollen Wegen. / Quelle: Tina Marie Frech

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